Auf unserer Tour durch die Gröpelinger Bildungslandschaft besuchen wir auf unserer zweiten Station die Grundschule Auf den Heuen.
Text: Eva Determann, Fotos: Tim Lachmann, Mai 2025
Zum Download
Die Grundschule ist beliebt, erzählt uns die Schulleiterin Annika Dittmer. Jedes Jahr melden sich mehr Erstklässler:innen an: „Doch wir möchten auch, dass dies so bleibt. Uns geht es nicht nur um Unterbringung, sondern um die Qualität, die wir uns im Laufe der Jahre erarbeitet haben.“
Die Grundschule liegt inmitten des jungen, bevölkerungsreichen Stadtteils Gröpelingen-Oslebshausen. Zu ihrem Einzugsgebiet zählen Kinder aus Familien, die in schmucken Bremer Reihenhäusern leben wie auch in den Hochhäusern von Wohlers Eichen, einem Wohnquartier mit diversen Problemlagen. Die Schule selbst ist umgeben von viel Grün, was gut zum Schulnamen passt, verweist doch Auf den Heuen auf eine alte mundartliche Bezeichnung für Wiesenfläche, wo man Heu macht.
„Alle fühlen sich für alle zuständig“
Aktuell besuchen 181 Kinder die Grundschule. Die Klassenstufen 1 und 2 werden jahrgangsübergreifend in einer Lerngruppe unterrichtet. Immer zwei Lerngruppen bilden einen gemeinsamen Flügel in dem ca. 44 Kinder beschult werden. Die älteren Klassen 3 und 4 werden jahrgangshomogen unterrichtet. Fachlich betreut werden die Kinder von einem multiprofessionellen Team, was gezielt die Bedarfe der einzelnen Schüler:innen erkennen und fördern kann: „Zu unserem Konzept gehört, dass alle Erwachsenen an der Schule den gleichen Status haben“, erläutert die Schulleiterin. „Egal ob Lehrer:innen, pädagogisches Personal, Drittkräfte, studentische Aushilfen oder Ehrenamtliche. Alle fühlen sich für jedes Kind unserer Schule zuständig und sind bereit, jederzeit Verantwortung zu übernehmen.“ Um eine positive und wertschätzende Kommunikation untereinander zu fördern, fungieren alle Erwachsenen gleichzeitig als Sprachvorbilder. Dazu kommen Lautgebärdensprache und Metacom-Symbole, eine einfache Bildsprache, die besonders für Autist:innen entwickelt wurde, zum Einsatz – für alle. Oder wie es Annika Dittmer sieht: Man ist weniger Lehrperson, sondern mehr „Coach“ im Sinne der Kinder und mit dem Ziel, Schule zu einem sicheren Ort zu machen, an dem sich jedes Kind angenommen fühlt und den es mit gestaltet.
Mit ihrem Ganztagskonzept schaffte es die Schule bereits in die Vorauswahl für den Deutschen Schulpreis
Seit 20 Jahren sammelt die Grundschule Auf den Heuen Erfahrungen mit dem gebundenen, d.h. für alle Schüler:innen verbindlichen Ganztagsunterricht. Sie zählt damit zu den Bremer Pionierschulen der Ganztagsbetreuung und schaffte es 2013 bereits in die Vorauswahl für den renommierten Deutschen Schulpreis. Anfänglich sei man noch nach Skandinavien gefahren, um solche Ideen auszutauschen, erzählt Annika Dittmer, die selbst seit 15 Jahren zum Schulteam gehört. Ziel ist es, nicht nur Familien bei der Kinderbetreuung zu entlasten, sondern durch planvolle Förderung für mehr Bildungsgerechtigkeit für benachteiligte Kinder und Jugendliche und ein besseres soziales Miteinander zu sorgen. Neben der gebundenen gibt es die teilgebundene sowie die offene Ganztagsschule: Hier bleibt ein Teil der Schüler:innen nur bis mittags und ein Teil geht nachmittags in Betreuung – natürlich ohne Unterricht. Expert:innen sind sich sicher. Gerade der Wechsel von Bildung und Betreuung schafft die wirkungsvollsten Förderbedingungen.
Ganztag ermöglicht Zeit für mehr
Die gebundene Ganztagsschule als qualitativ hochwertige Ganztagsform hat es mittlerweile in die bildungspolitischen Ziele der Landesregierung geschafft: Bis 2026 soll jedes Grundschulkind Anrecht auf einen Ganztagsplatz haben (GaFöG=Gesetz zur ganztägigen Förderung von Kindern im Grundschulalter). Ist das realistisch?
Wenn Ganztagsschule mehr ist als eine erweiterte Betreuung am Nachmittag, müssen alle Bereiche von Schule darauf ausgerichtet werden. Dies beginnt mit der Strukturierung der Lehrinhalte über die Abfolge von Lern- und Freizeiten bis hin zur Essensverpflegung mit entsprechenden Räumlichkeiten. Auf den Heuen heißt es im Sinne der Wertschätzung nicht Mensa, sondern die Kinder gehen mittags ins „Restaurant“, wo sie gemeinsam ein frisch für sie zubereitetes Essen erhalten. Serviert wird in einem architektonisch markanten Gründach-Pavillon.
„Es kommt darauf an, den Tag gut zu strukturieren und zu rhythmisieren“
Neben der personellen Ausstattung sind die Räumlichkeiten – sowohl im Innen- als auch im Außenbereich – zentral, denn hier findet Schule konkret statt bzw. stößt an ihre Grenzen. Annika Dittmer zeigt, wie das ursprünglich aus den 1950er-Jahren stammende Schulgebäude durch kluge Eingriffe in ein modernes Raumkonzept verwandelt wurde. Jeweils zwei große und lichtdurchflutete Klassenräume, die durch einen Mittelraum verbunden sind, bilden einen Flügel, der von zwei Lerngruppen genutzt wird. Der verbindende, aber ansonsten ungenutzte Wandelgang wurde zum Lernflur und Bewegungsgang umgestaltet und mit zusätzlichem Nischen für flexible Settings erweitert. Alle Räume sind klar strukturiert, ähnlich aufgebaut und werden immer wieder vereinheitlicht. Getrennt werden die Teilbereiche nur von „transparenten“ gläsernen Wänden, was bedeutet, dass immer mehrere Erwachsene und Kinder zeitgleich in einem Flügel präsent sind und alle aufeinander Rücksicht nehmen (müssen). Da alle Schüler:innen im Innenbereich Hausschuhe tragen, ist der Lautstärkepegel erheblich reduziert. Es sind manchmal „die kleinen Dinge, die den Unterschied machen.“ Ein klarer, rhythmisierter Schultag mit verbindlichen Strukturen, die in allen Flügeln gleich ablaufen, geben den Kindern und Erwachsenen der Schule Sicherheit und Orientierung.
Während das Gelände weitläufig ist, stößt die Schule in den Innenräumen kapazitätsmäßig an ihre Grenzen
Steigende Schüler:innenzahlen führen aktuell dazu, dass inzwischen alle Räume intensiv genutzt werden, Pädagog:innen auf ihre Arbeitsräume verzichten und auch beim musikalischen Schwerpunkt Abstriche gemacht werden müssen. Die Möglichkeit, in Kleingruppen ein Instrument zu lernen, wird nach wie vor angeboten und gerne angenommen, aber gemeinsame größere Musikaktivitäten sind derzeit einfach nicht umsetzbar. „Wir warten dringend auf Container, um die Situation zu entzerren.“
Trotzdem wird das Gemeinschaftsgefühl großgeschrieben. Regelmäßig treffen sich alle Schulangehörigen in der Turnhalle, dem einzigen Veranstaltungsort, um zusammen Dinge wie Schullied, Kinderparlament oder Monatsbühne zu praktizieren und die Partizipation der Kinder zu stärken. Und spätestens wenn alle zum gemeinsamen Schulsong singen und tanzen, kann es vorkommen, dass auch die Schulleiterin ein paar Freudentränen verdrückt.