Frischer Wind weht durch die historischen Gemäuer des alten AG-Weser Verwaltungsgebäudes am Schiffbauerweg. Wo früher Pläne gezeichnet und Verträge geschlossen wurden, lernen seit einem halben Jahr 48 Kinder aus Gröpelingen lesen, schreiben, rechnen und vieles mehr. Sie sind die ersten Erstklässler:innen der Neuen Grundschule Gröpelingen.

Text: Eva Determann, Fotos: Tim Lachmann, Mai 2025

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Mit etwas Verzögerung konnten sie endlich in ihre eigenen, neuen Klassenräume ziehen. Das ohnehin als Übergangslösung vorgesehene Gebäude war zu Beginn des Schuljahres noch nicht fertig. Und so verbrachten Schüler:innen und Lehrpersonen einige Wochen in Mobilbauten in Oslebshausen. „Aber auch das war gut fürs Team-Building und schweißt zusammen“, meint Schulleiter Jan Thielbahr im Nachhinein betrachtet.

Neustart am Schiffbauerweg

Inzwischen ist der Umzug überstanden und die Kinder haben die frisch renovierten Räume mit hohen Decken, großen Fenstern und viel Licht begeistert in Beschlag genommen. Eigens für das Schulkonzept angeschaffte Möbel wie flexible Sitzgelegenheiten, Raumteiler, Whiteboards, Beratungstische sind eingeräumt. Vor der Tür gibt es einen kleinen Schulhof mit Klettergerüst, kleinen Fußballtoren, Wackelplatten und vielen Spielsachen zum Ausleihen. Weitere Spielgeräte werden zeitnah kommen. In der Mensa wird für den Ganztagesbetrieb bio-zertifiziertes Essen angeboten, „was gut schmeckt“, sagt der Schulleiter. Der angrenzende Lichthof ist multifunktional nutzbar als Speise-, Innenpausen-, Bewegungs- oder auch als Kunstraum. Ein Künstler mit eigenem Atelier im Haus unterstützt die Kinder kreativ. Er gehört zum multiprofessionellem Team bestehend aus Lehrer:innen, Erzieher:innen, Sonderpädagog:innen und anderen außerschulischen Expert:innen für Bewegung oder Kunst. Und ein gemeinsames Schulmotto gibt es auch: Nur gemeinsam geht’s! (nach den Anfangsbuchstaben der Neuen Grundschule Gröpelingen). Dies steht nicht nur gut sichtbar auf den Schultüren, es funktioniert vielmehr als Leitidee im schulischen Alltag und gilt für alle Beteiligten, Schüler:innen, Erziehungsberechtige und Personal, betont Jan Thielbahr. Ihm ist der Umgang auf Augenhöhe wichtig, um mit den Kindern wie Kolleg:innen in Kontakt zu treten. Jan Thielbahr war, bevor er den Gründungsauftrag für die Neue Grundschule Gröpelingen übernahm, über zehn Jahre als Lehrer und Stundenplaner an der Schule Fischerhuder Straße beschäftigt. Er kennt und mag also den Stadtteil.

„Einfach eine große Lust, etwas Neues zu entwickeln“

Uns interessiert: Wo beginnt man, wenn man ganz von vorne anfängt? Wenn man Schule gewissermaßen als unbeschriebenes Blatt Papier vor sich hat? Thielbahr brachte zwar eine Menge Praxiserfahrung mit, aber er hat sich auch gezielt an anderen Schulen umgesehen, um neue Ansätze kennenzulernen und herauszufinden, was er übernehmen könnte. Und er suchte sich früh andere Mitstreiter:innen. Unterstützt wurde er von einem Team interessierter Pädagog:innen unterschiedlichen Alters, „die einfach große Lust hatten, etwas Neues zu entwickeln“ und die sich gezielt auf die ausgeschriebenen Stellen bewarben.

Lange bevor die neue Grundschule ihren Betrieb aufnahm, traf sich das Team bereits regelmäßig einmal in der Woche, um das Konzept zu entwickeln und den gemeinsamen Start vorzubereiten. Der wöchentliche Besprechungstermin wird bis heute beibehalten. Montags stehen regelmäßig Dienstbesprechungen, gefolgt von Klassen- und Fachbesprechungen auf dem Programm. „Wir wollen keine zusätzliche Belastung,“ erklärt Thielbahr. Ziel sei vielmehr eine gemeinsame Schulentwicklung, um die und den Einzelnen zu entlasten, aber auch um Inhalte und Prozesse möglichst transparent zu gestalten.

Strukturen und zeitliche Abläufe in allen Klassen gleich

Um bedürfnisgerechtes Lernen zu fördern, wurden alle Klassenzimmer nach dem Churermodell als flexible Lernlandschaften eingerichtet. Dies bedeutet: Feste Plätze gibt es nur im gemeinsamen Sitzkreis. In Arbeitsphasen wählen die Kinder ihre Arbeitsplätze frei aus: Einzeltische für konzentriertes Arbeiten, Gruppentische für Zusammenarbeit, Beratungstische für pädagogische Unterstützung und gemütliche Lese- und Schreibecken zur Vertiefung. Inhaltlich werden Lesen, Schreiben und Rechnen nicht nur als reine Techniken vermittelt, sondern als Instrumente zum Denken, Kommunizieren und zur Kreativität. Dazu soll jedes Kind in seinem eigenen Tempo lernen können. Es gibt Lernwege mit individuellen Aufgaben, zu denen verschiedene Arbeitsmaterialien angeboten werden. Die Strukturen und zeitlichen Abläufe sind aber in allen Klassen gleich. Vorteil: Bei Vertretungsstunden kann jede Person übernehmen und inhaltlich anschließen.

In Bezug auf Räumlichkeiten, Personal und Konzept sehr gut aufgestellt

Noch läuft nicht alles reibungslos. Die Freiheit des Neuanfangs bringt auch viel Notwendigkeit zur Improvisation mit sich. Weil eine Turnhalle fehlt, wurden im benachbarten Lichthaus Bewegungsräume organisiert. Und der Trampolinpark im Einkaufszentrum Waterfront gegenüber machte ein unschlagbares Angebot: Alle Schüler:innen sind eingeladen, dort eine Stunde in der Woche zu jumpen. „Das kommt natürlich gut an und fördert auch die Bewegung, ersetzt aber keinen Sportunterricht.“ Thielbahr möchte nichts schönreden, er weiß um die Vorbehalte gegenüber dem Standort: „Jedoch sind wir in Bezug auf Räumlichkeiten, Personal und Konzept sehr gut aufgestellt.“ Aktuell bereitet sich die Schule gerade darauf vor, nach den Sommerferien den zweiten Jahrgang am aktuellen Standort aufzunehmen. In der Zukunft soll für die Neue Grundschule Gröpelingen ein neues Schulgebäude gebaut werden. Dann stünde ein weiterer Umzug an. Ob sie dann noch die Neue Grundschule sind? „Vielleicht bekommen wir einen neuen Namen, aber unser Schulmotto Nur gemeinsam geht’s! bleibt auf jeden Fall erhalten.“