Zu einer Tour durch die Gröpelinger Bildungslandschaft gehört natürlich auch ein Besuch bei den Kleinsten. Im Kinder- und Familienzentrum (KuFZ) am Halmerweg sprechen wir mit Leiterin Karin Meyer über das Konzept der Werkstatt-Kita, eine Kita aufgebaut wie eine Werkstatt. Und natürlich nutzen wir die Gelegenheit, uns den nigelnagelneuen Bau anzusehen, den das KuFZ demnächst bezieht.
Text: Eva Determann, Fotos: Tim Lachmann, Mai 2025
Zum Download
Ein Neubau für 100 Kinder mitten im Stadtteil
Kita-Leiterin Karin Meyer und ihre Kollegin Tina Meyer-Pierskalla sitzen buchstäblich auf gepackten Kisten. Nach acht Jahren Planungs- und Bauphase steht der Umzug in den Neubau unmittelbar bevor. Der Standort bleibt der gleiche. „Die Lage ist perfekt“, meint Karin Meyer, „Mitten im Stadtteil gelegen. Wir sind von allen Seiten gut angebunden und werden von überall aus gesehen. Die Nachfrage nach Kita- und Krippenplätzen ist allerdings sehr groß, schon jetzt sind alle 20 neuen Krippenplätze vergeben.“
Und ein Funken Wehmut schwingt mit, wenn sie im Sommer das alte, nicht mehr zeitgemäße Kita-Gebäude, ein ehemaliger Verwaltungsbau aus den 1930er-Jahren, verlassen und in den hochwertigen, hellen Neubau umziehen. Die jetzige Kita wird dann abgerissen und macht Platz für ein erweitertes Außengelände mit Wasserspielplatz, einer Naturwerkstatt und eigenen Bereichen für Krippenkinder. „Alles bei laufendem Betrieb, was eine Herausforderung ist, aber wir freuen uns drauf.“
Im neuen Kinder- und Familienzentrum am Halmerweg werden dann auf drei Etagen zwei Krippen- und vier Kita-Gruppen für 100 Kinder sowie Angebote der Familienbildung untergebracht. Realisiert wurde das Projekt vom renommierten Bremer Architekturbüro Rosengart und Partner (> siehe Interview) beauftragt und finanziert durch die Senatorin für Kinder und Bildung und KiTa Bremen.
Die Kinder im Stadtteil brauchen Experimentierfreiflächen
Der moderne Bau ist mit dunkelrotem Klinker verblendet und fügt sich gut in die Umgebung der historischen Backsteinhäuser des Viertels ein. Im Inneren des Passivhauses führt ein großzügiges Treppenhaus mit Tribünenfunktion auf eine halbrunde Marktplatz-Ebene, wo verschiedene Werkstatträume abzweigen. „Uns war wichtig, dass nicht alles rechtwinklig ist.“ Tiefe Fensterbänke laden zum Arbeiten und Rausgucken auf Baumhöhe ein. Im zweiten Obergeschoss ist neben Verwaltung und Frühförderung ein großer Bewegungsraum untergebracht, der nach dem Kita-Betrieb auf Anfrage auch für Gruppen aus dem Stadtteil offen steht. Haustechnik und Küche sind im verbundenen Anbau zu finden. Wenn dort täglich frisch gekocht wird, können die Kinder vom Außengelände dabei zugucken.
Mit den neuen Räumen verbindet sich auch die Möglichkeit, die Idee der Werkstatt-Kita noch besser umzusetzen. Ein Ansatz, der laut Karin Meyer gut zu Gröpelingen passt: „Im Stadtteil leben viele Familien in sehr beengten Wohnverhältnissen, oft ist ein Elternteil alleinerziehend, die Kinder brauchen einfach Experimentierflächen, freien Raum, um sich zu entfalten. Jedes Kind ist neugierig und hat das Bedürfnis nach Bewegung.“
Im Zentrum steht die Neugier
Im Zentrum der Werkstatt-Kita steht daher auch die Neugier, die Neugier eines jeden Kindes selbstständig die Welt zu entdecken und zu erforschen. Die Kita soll ihnen einen Ort bieten, der sie dazu anregt. Wie in einer Werkstatt können Kinder nach ihren Bedürfnissen und Interessen forschen, spielen, bauen, kreativ sein und so eigene Erfahrungen sammeln. Alleine, zusammen mit anderen Kindern, bei Bedarf mit Unterstützung von Erwachsenen, die sich als begleitende Bildungspersonen verstehen. Dieser Raum muss natürlich geschützt sein. „Es gibt viel Angst im Stadtteil“, weiß die Pädagogin, „Eltern haben das Gefühl, ihr Kind immer und überall beschützen zu wollen, hinzu kommt die Unsicherheit im Umgang mit Institutionen. Auch viele Kinder sind aus Angst sehr angepasst. Indem wir eine Atmosphäre schaffen, in der sich Kinder wohl fühlen und ausprobieren können, helfen wir ihnen, ihre Fähigkeiten und ihre Persönlichkeit zu entwickeln. Wir begegnen ihnen mit Wertschätzung und wollen so die Selbstwirksamkeit des Kindes, das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, stärken. Freiheit muss auch geübt werden.“
Werkstatt bedeutet auch, in jedem Raum etwas Handwerkliches zu machen
Inhaltlich wird es dann folgende Kita-Werkstätten geben: eine Schreib- und Zahlenwerkstatt, ein Kunstatelier, eine Natur- und Draußen-Werkstatt, eine Werkstatt zum Bauen und Konstruieren und eine Theaterwerkstatt. Die begleitenden Erzieher:innen sind gleichzeitig inhaltliche Expert:innen für bestimmte Werkstattbereiche.
Der Gestaltung der neuen Räume kommt dabei besondere Bedeutung zu, denn die Kinder sehen wie in einer Werkstatt, was und womit sie arbeiten können. Sie lernen Dinge zu strukturieren, den Arbeitsplatz einzurichten und aufzuräumen, mit anderen zu kooperieren: „Werkstatt bedeutet nicht die totale Freiheit. Es gibt klare Regeln.“
Geübte Abläufe und regelmäßige Reflektion
Um Sicherheit zu geben, sind alle Tagesabläufe gleich und jeder Raum ähnlich aufgebaut mit vielen Regalen und Kisten, um Material zu verstauen oder zu präsentieren und wenig Tischen und Stühlen, damit Kinder so arbeiten können, wie es sich für sie richtig anfühlt. Die Materialien sind ausgesucht und gut präsentiert. Lieber echtes Werkzeug statt Plastik.
Perspektivisch entscheiden die Kinder dann jeden Morgen frei, womit sie sich beschäftigen möchten und gehen in ihre Werkstatt. Vorübergehend werden die Stammgruppen als eine Art „Heimathafen“ beibehalten und die Kinder lernen zunächst per Rundlauf alle Werkstätten kennen. „Oft müssen wir erst Ideen säen, um den kreativen Prozess zu starten“, sagt Karin Meyer und blickt zuversichtlich auf den noch abgezäunten Neubau: „Wir haben viel Zeit in Teamprozesse investiert. Jetzt gehen wir los mit den getroffenen Vereinbarungen und pädagogischen Abläufen und probieren es aus. Nach einem Jahr sehen wir weiter und reflektieren die neue Arbeitsweise.“