Wie geht erfolgreiches Lernen? Wie könnte Unterricht aussehen, der möglichst viele Schülerinnen und Schüler erreicht? Dies ist Thema auf unserer dritten Station durch die Gröpelinger Bildungslandschaft und unseres Gesprächs mit Martina Semmler und Christian Radke von der Schulleitung der Neuen Oberschule Gröpelingen (NOG).

Text: Eva Determann, Fotos: Tim Lachmann, Mai 2025

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Die Neue Oberschule Gröpelingen (NOG) liegt am Rande des Humannviertels, einem über 100 Jahre alten Gebiet des sozialen Städtebaus, das mittlerweile unter Denkmalschutz steht. Der legendäre Fußballtorwart Bert Trautmann ist hier aufgewachsen, wie eine Plakette an einem der schlichten grauen Mehrfamilienhäuser anzeigt.

„Kinder lernen durch Motivation.“

Die Neue Oberschule Gröpelingen gibt es seit nunmehr 15 Jahren. Hervorgegangen ist die als vierzügige Ganztagsschule für die Klassen 5 bis 10 aus der ehemaligen Pestalozzi-Schule. Derzeit besuchen rund 500 Schülerinnen und Schüler die NOG: 500 Individuen mit unterschiedlichen Bedürfnissen, Herkünften, Stärken und Schwächen. Wie kann Schule diesen Anforderungen heutzutage gerecht werden? Schulleiterin Martina Semmler formuliert es frei heraus: „Schule, wie wir sie kennen aus unserer eigenen Schulzeit, aber auch wie sie in der Ausbildung von Lehrer:innen vermittelt wird, ist Old School. Das Konzept vom fachspezifischen Frontalunterricht mögen die Eltern, aber es nimmt Schüler:innen nicht mit.“

Ähnlich sieht es auch Christian Radke, stellvertretender Schulleiter und didaktischer Leiter, und ergänzt: „Im Grunde geht es darum, Bedingungen zu schaffen, die Schüler:innen zum Lernen motivieren.“ Denn das Gute ist, darin sind sich beide einig, dass jedes Kind lernen will.

Von der Idee zum MakersLab: Die NOG bietet viele Möglichkeiten für selbstorganisiertes Lernen

Wie kreiert man also eine gute Lernumgebung und inhaltliche Angebote, die möglichst alle abholt? Um es vorweg zu nehmen: Auch hier gibt es nicht die eine Lösung, sondern verschiedene Faktoren diese zu gestalten.

Beginnen wir mit der Hardware, dem Schulbau. Von außen betrachtet ist die NOG eine Schule, wie man sie kennt: drei Geschosse, hohe Fenster, Werkräume im Erdgeschoss. Wären da nicht der stylische Eingangsbereich und die Neubauten um den gemeinsam mit einer Grundschule genutzten Schulhof, könnte man denken, ein schön renovierter, klassischer Schulbau aus den 1920er-Jahren. Aber das ist nur die Außenhülle. Mit der Sanierung wurde auch die Gebäudestruktur stark verändert hin zu einer individualisierten Lernumgebung: Alle Flure wurden zu Jahrgangsfluren geöffnet und bilden nun neue Räume für Kommunikation, Gruppenarbeit sowie Rückzugsbereiche für konzentriertes Arbeiten. Die Klassenzimmer sind durch große Fenster auch mit den Innenfluren verbunden, die Licht von zwei Seiten und gegenseitigen Austausch während der Unterrichtsstunden zulassen. Man sieht und grüßt sich. Zwischen den Klassenräumen befindet sich das Zimmer der Jahrgangslehrer:innen, die Wege sind kurz, offene Tür signalisieren Nähe und Erreichbarkeit. Denn Schule auch immer ein „Ort der Haltgebung“, betont Christian Radke. Bunte Polsterbänke und Sitznischen auf den Fluren laden zum individuellen Studium allein oder in kleinen Gruppen ein. Neben Aula und Mensa gibt es verschiedene Fachräume, eine Bibliothek oder ein Digitallabor Makerslab, ausgestattet mit 3D-Druckern, um Kreativität und selbstbestimmtes Lernen fördern.

„Schule besser gestalten heißt auf individuelle Bedürfnisse eingehen. Nicht alle kommen mit freiem Lernen klar.“

Im Unterricht sollen unterschiedliche Materialien und Methoden den Lernenden individuelle Zugänge zu eigene Fragestellungen ermöglichen. „Schule besser gestalten heißt, auf individuelle Bedürfnisse eingehen. Nicht alle kommen mit freiem Lernen klar“, so Christian Radke und liefert dazu ein konkretes Beispiel. Im nächsten Schuljahr startet die NOG mit einem neuen Ansatz. In den Klassen 5 und 6 werden die Stunden der Fächer Naturwissenschaften (Nawi), Gesellschaft und Politik (GuP) und Projekt zusammengelegt, um übergreifende Themen wie Gröpelingen – hier bin ich Zuhause, Gesund leben oder Fortschritt: vom Zelt zum Dom zu bearbeiten. Vom naturwissenschaftlichen Experiment bis hin zum Museumsbesuch ist dabei alles möglich: „Wir machen durchaus Vorgaben, denn Schüler:innen sind oft überfordert, wenn man sie fragt, was sie machen möchten. Dann fällt ihnen spontan gar nichts ein.“

„Unterricht vom Thema aus entwickeln“

Bezüge zum eigenen Leben und Geschichten sollen abstrakte Inhalte lebendig werden lassen. Verknüpft mit Bildern und Emotionen speichere sich das Wissen besser ab. „Dies entspricht auch viel mehr der eigenen Lebenswirklichkeit“, sagt Martina Semmler, „schließlich ist die reale Welt auch nicht in Fächer unterteilt.“ Präsentiert werden die Ergebnisse dann auf einem schulweiten Tag der offenen Tür.

Ebenso wichtig wie den eigenen Lernprozess kennenzulernen und zu gestalten, ist das Miteinander der Lernenden. Auch dies spielt in den klassischen Schulkonzepten eher eine untergeordnete Rolle. Dabei lernt man am meisten im Austausch mit anderen: „Wenn ich etwas erkläre, merke ich, ob ich es verstanden habe.“ Dass auch mal was schiefgehen kann, ist Teil des Konzepts: Fehler sind ausdrücklich erlaubt. Eine positive Fehlerkultur ist ohnehin konstruktiver als der bekannte schulische Konkurrenzdruck. „Heute war damals Zukunft“, steht auf einem kleinen Siebdruck im Schulleitungszimmer von Martina Semmler. Wir bleiben gespannt, wie viel Zukunft im Heute an der NOG steckt.