Vor dem Eingang weisen bunte Fahnenketten, die fröhlich im Sommerwind flattern, den Weg. Hier geht’s zum Tag der offenen Tür im Quartiersbildungszentrum (QBZ) Morgenland. Zu einem Kennenlern- und Mitmachnachmittag hatte das QBZ am 23. Juni geladen. Zwischen 14 und 17 Uhr gab es drinnen und draußen ein buntes Programm. Klein und Groß konnten gemeinsam künstlerisch aktiv werden, Geschichten hören, sich austauschen oder bei einer Leckerei im Quartierscafé stärken. Dazu hatte sich das Team des QBZ im Haus und auf dem Schulhof Fischerhuder Straße verschiedene Angebote ausgedacht — ein QBZ-Programm im Miniformat.
Welcome from the Ortsamtsleiterin
Wie wichtig die 2015 eröffnete Einrichtung für den Stadtteil ist, betonte auch die frischgebackene Ortsamtsleiterin Cornelia Wiedemeyer, die die Veranstaltung offiziell eröffnete: „Das QBZ Morgenland ist ein Baustein der lokalen Bildungslandschaft. Die Verzahnung schulischer und außerschulischer (Bildungs-) Aktivitäten trägt dazu bei, das große Potential des Stadtteils zu nutzen und den Besonderheiten des Quartiers gerecht zu werden.“
Als eigenen Beitrag von Mehrsprachigkeit wechselte sie bei ihrer Ansprache flüssig zwischen Englisch und Deutsch.
Organisatorin und Leiterin des QBZ, Frauke Kötter, forderte anschließend alle Gäste auf, die Angebote ausgiebig auszuprobieren und sich zwischendurch mit Kuchen und Getränken zu versorgen. Das ließen sich vor allem die vielen anwesenden Grundschulkinder nicht zweimal sagen und strömten aus.
Glück am Rad
Im Obergeschoss hatte Lina vom Jugendforum Gröplingen eigens für den Tag ein Glücksrad gebaut und mit mit kniffeligen Fragen zur politischen Institutionenkunde bestückt: Wie heißt in Bremen das Landesparlament? Welche Staatsform hat die Bundesrepublik? Wie heißt der Bundeskanzler? Lina hilft: „Wie heißt der Schneemann bei Anna und Elsa?“ Ach so. Als Preise gab es selbst bedruckte Taschen und Beutel, die großen Anklang fanden.
Das Gröpelinger Jugendforum „Gröpeln statt Grübeln“ trifft sich einmal im Monat im QBZ und hält Kontakt über Instagram. Derzeit besteht die Gruppe aus 12 Mitgliedern zwischen 13 und 18 Jahren. Sie möchten im Stadtteil gezielt etwas für Kinder und Jugendliche verbessern. „Es geht um mehr Interaktion, mehr rauskommen,“ sagt Lina. „Wenn es gute Vorschläge gibt, machen wir es einfach, zum Beispiel Blumen pflanzen.“ Und über Verstärkung freuen sie sich auch.
Ideen für Gröpelingen
Gruppenleiterin Pia Weber sammelt nebenan „Wünsche für Gröpelingen“. Die achtjährige Greta hat goldene Dollarnoten gemalt, die sie mit Schwung an die Litfaßsäule pappt. „Hier gibt es nicht so viel Geld, deswegen müssen alle immer arbeiten“, erklärt sie mit ernster Miene. „Ich wünsche mir mehr Geld für alle.“
Sara, 5 Jahre, wünscht sich mehr Einhörner für Gröpelingen. Und weil das Ankleben so viel Spaß macht, noch mehr Einhörner. Dort kommen schnell verschiedene Forderungen zusammen: Bäume, Eiskugeln, mehr Fahrradwege, mehr Mülleimer, eine Kindermedienwerkstatt. Lehrer Denis Tüzan von der Gesamtschule West ist extra aus Walle ins QBZ gekommen, um die Jugendlichen zu unterstützen: „Die machen das schon gut. Und wenn jemand was nicht weiß, helfen sie auch.“
Vom A und Oh
Erstklässler Sam hatte keinen weiten Weg. Er kam mit Mutter und Großmutter von der Giehler Straße, um ihnen das QBZ zu zeigen. Jetzt warten sie geduldig an der Mitmachstation, um Papier zu schöpfen. Pink oder blau? Sam guckt verdutzt und greift entschlossen zum blauen Tuch.
Nebenan kramen Thalina und Maja konzentriert in den Glasschüsseln mit Buchstabenperlen. Nida und Sargis vom Projekt „Study Friends“ helfen mit großer Geduld beim Zusammenstellen und Verknoten der Namensbänder. Das A wird bereits knapp. „Du kannst ein V nehmen und einen Strich reinzeichnen“, schlägt Sargis vor. Die Mädchen suchen lieber weiter. Das Projekt „Study Friends“ gibt es seit 2021. Die Studierenden begleiten Gröpelinger Schüler:innen im Unterricht und wohnen dafür mietfrei, gefördert durch die Deutsche Kindergeld Stfitung, im Stadtteil.
Japanisches Erzähltheater in 10 Sprachen
Im Nebenraum präsentieren Schüler:innen aus dem Vorkurs der Neuen Oberschule Gröpelingen lautstark zwei Aufführungen von Kamishibai International, einer zeitgenössischen Variante der japanischen Erzähltradition Kamishibai. Weil diese Form des bildgestützen Erzählens Geschichten mit Bildern verknüpft, ist es gut geeignet als Erzählformat für Jugendliche, die neu in die deutsche Sprache einsteigen. Die Jugendlichen tragen schwarze Kleidung mit pinken Accessoires. Sie erzählen die Geschichte von „Unserem Haus“ in zehn Sprachen. In jedem Raum gibt es eine komische Situation. Dazu wird ein überdimensionaler Schlüssel weitergegeben. Sinnbildlich öffnen und schließen sie die Türen in ihrer Muttersprache. Einige genießen den Auftritt sichtlich, andere scheinen froh, wenn es vorbei ist. Alle werden mit großem Applaus belohnt.
„Urban Storytelling“ für alle Erstklässler:innen
Im Wechsel dazu geben die Erzählerinnen Julia Klein und Ronja Stegmann Kostproben ihrer Erzählkünste. Mit Hilfe eines schwarzen Hintergrunds und einfacher Utensilien erzeugen sie „eine minimale theatrale Situation“, so Julia Kein, die auch die Projektleiterin ist. Das schafft Aufmerksamkeit und erleichtert das Zuhören, was ja eine Voraussetzung für Sprachvermittlung ist. Schnell ziehen sie die Zuhörerenden in ihren Bann.
Einige Kinder kennen das Geschichtenerzählen aus der Schule und freuen sich deshalb besonders auf neue Geschichten: Durch das Projekt „Urban Storytelling“ erhielten in den vergangenen zwei Jahren alle sechs Grundschulen in Gröpelingen und Oslebshausen Erzählstunden mit professionellen Erzähler:innen. Diese besondere Form der Sprach- und Kommunikationsförderung kam so insgesamt 450 Kindern zugute.
Begonnen wurde meist mit einfachen Geschichten aus der Lebenswelt der Kinder und aus traditionellen Überlieferung verschiedener Kulturen, die im Laufe des Projekts komplexer wurden.
Julia Klein schildert die positiven Erfahrungen: „Für die Lehrer.innen war es aufschlussreich, mal die eigene Rolle zu verlassen und eine beobachtende Position einzunehmen. Sie waren erstaunt, wie gut die Kinder zuhören und sich erinnern können. Für viele Kinder erwies sich die Situation des Geschichtenerzählens zunächst als unbekannt. Sie sprachen vom Kino oder Vorlesen und merkten nicht, dass es gar kein Buch gibt. Zum Schluss konnten sie selbst zusammen mit anderen eine Geschichte erzählen, eine enorme Stärkung von Selbstbewusstsein und Sozialkompetenz. Wir haben erlebt, dass sie sich die Geschichten untereinander auf dem Schulhof weitererzählen, sie also eine neue eigene Erzähltradition bilden.“
Für die Fortsetzung des Projektes als festen Bestandteil der Sprachförderkonzepte der Schulen setzen sich die Schulleitungen aller sechs Grundschulen in Kooperation mit Kultur Vor Ort derzeit ein.
Positives Fazit
Und während draußen auf dem Schulhof noch getobt und an den Staffeleien weitergemalt wird und im Café die letzten Kuchenstücke über die Theke gehen, zieht Frauke Kötter, Leiterin des QBZ, Bilanz: „Während wir im letzten Jahr förmlich überrannt wurden, war in diesem Jahr der Andrang nicht so groß. Die Menschen kamen über den Nachmittag verteilt. Natürlich öffnet sich das QBZ nach außen zum Stadtteil, aber wir wenden uns auch an unsere erwachsenen Nutzer:innen, die ansonsten alleine zu den Kursen kommen, oder an Kinder, die unter der Woche mit ihrer Kita oder Schule herkommen, aber ohne Eltern. Heute konnten alle etwas zusammen erleben, die verschiedenen Programme kennenlernen und gemeinsam eine gute Zeit haben. Letztlich ist es nicht so wichtig, wie viele kommen, sondern dass diejenigen, die uns besuchen, sich informieren und etwas für sich mitnehmen.“
Der Tag der offenen Tür im QBZ Morgenland eine Veranstaltung von Kultur Vor Ort.
Das QBZ Morgenland wird gefördert von der Senatorin für Kinder und Bildung sowie der Senatorin für Jugend, Frauen, Integration und Sport.